ANDREAS KALCKHOFF
Richard III.
Sein Leben und seine Zeit.

464 Seiten, Frontispiz, 1 Stammtafel, 2 Karten, quart., geb. (Efalin) mit Schutzumschlag

© Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1980
Lizenzausgabe 1989 für Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft

© Andreas Kalckhoff 1996
Korrekturliste beim Autor per Email erhältlich


“Richard, der Bucklige, bei dessen Anblick die Hunde anfangen zu heulen”

Richard III., der Schurke Shakespeares, der angeblich seine Frau vergiftete, seinen Bruder ertränkte, seine Neffen erwürgen ließ, hatte ohne Zweifel eine “schlechte Presse”.

Andreas Kalckhoff rückt in seiner Biographie dieses Bild zurecht. Vor dem Hintergrund des kraftstrotzenden englischen Mittelalters erleben wir ein Vexierspiel aus Dichtung und Wahrheit, aus dem wir, Seite um Seite, immer deutlicher die Züge eines Menschen hervortreten sehen – Richards III.

Shakespeares Schurke, wie er wirklich war


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Inhalt

Prolog

I. “Richard lebt noch ...”
Ein kränkliches Kind in den Wirren der Rosenkriege

II. “Des Königs sehr geliebter Bruder”
Richard Gloucesters Lehr- und Wanderjahre

III. “Zur Lüge geeignet und zur Verstellung”
Die Anfänge einer Legende

IV. “Der französische Krieg findet nicht statt”
Ein Frieden voll von Possen und Tragödien

V. “Was verdienen die, welche meinen Untergang betreiben?”
Der Putsch des Reichsprotektors

VI. “Hiermit beginnt meine Herrschaft”
Ein Thronraub nach allen Regeln der Kunst

VII. “Niemand wird plötzlich zum Schurken”
Das Rätsel um den “Prinzenmord im Tower"

VIII. “Verteile deine reichen Schätze!”
Gute Vorsätze und schlechte Vorzeichen

IX. “Ein elendes Schauspiel”
Verrat und Tod auf Bosworth Field

Epilog

Nachwort

Quellenalphabet
Bibliographie
Anmerkungen
Register



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Rezensionen

Bayerischer Rundfunk –  Frankfurter Allgemeine Zeitung –  Hamburger Abendblatt –  
Historische Zeitschrift (HZ)
 –  Welt am Sonntag

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Hamburger Abendblatt, 8. August 1980

Shakespeares Schurke,
wie er wirklich war

Glänzende Biographie über König Richard III.

König Richard III. von England, Shakespeares Schurke, war ein vernünftiger und keineswegs blutrünstiger Monarch. Das falsche Geschichtsbild korrigiert ein junger deutscher Historiker, Andreas Kalckhoff. Das spannende Buch verdient besondere Beachtung. Es ist eine der glänzendsten Biographien, seit Golo Mann mit dem großen Wallenstein-Opus Aufsehen erregte und starken Widerhall fand.

Um Mitternacht kamen sie in die Kammer, wo die hilflosen Kinder in ihren Betten lagen, schlugen sie hastig in die Laken ein, verwickelten und verwirrten sie darin und hielten sie mit Gewalt nieder, wobei sie ihnen Federbett und Kissen auf die Münder preßten, so daß ihnen nach einer Weile die Luft ausging und sie erstickten.” So beschreibt Thomas Morus (1478-1535) Anfang des 16. Jahrhunderts die Ermordung der Königskinder Edward (V.) und Richard York. Shakespeare nahm sich fünfzig Jahre später dieses Themas wieder an. Der angebliche Urheber des Kindermordes, nämlich ihr Onkel König Richard III. (1452-1485), ging als Erzschurke in die Geschichte ein. Selbst das historische Nachschlagewerk Ploetz "Auszug aus der Geschichte" weicht bei Richard von seiner sonstigen Nüchternheit ab: “Der selbst für jene Zeit grausige Kindermord, der allmählich bekannt wird, zerstört seine Popularität.” Doch war dies wirklich so? Am Tag nach der Schlacht von Bosworth am 21. August 1485, in der Richard III. von Heinrich Tudor um Krone und Leben gebracht wurde, notiert der Yorker Stadtrat, “daß König Richard, der zuletzt gnädig über uns regiert hat, zum großen Kummer dieser Stadt traurig erschlagen und ermordet wurde”. Also betrachteten die bürgerlichen Zeitgenossen Richard offensichtlich als guten Herrscher.

Andreas Kalckhoff, ein junger Historiker aus der Schule von Karl Bosl, hat sich des Widerspruchs angenommen. Es ist eine der glänzendsten Biographien daraus geworden, seit Golo Mann sein großes Wallenstein-Opus veröffentlicht hat. Kalckhoff beweist nicht nur, daß König Richard III. ein Opfer der Propaganda seines siegreichen Feindes wurde, sondern er gibt auch ein beeindruckendes politisches und kulturgeschichtliches Zeitgemälde.
Das Buch ist flüssig und unprätentiös geschrieben. Wer das Fragen und Suchen Kalckhoffs nach der Wahrheit verfolgt, weiß mehr über die historisch-kritische Methode, als lange Oberseminare an deutschen Universitäten vermitteln können. Verblüfft ist der Leser über den riesigen Fundus Kalckhoffs. Kein Stock, kein Stein, keine historische oder literarische Quelle über Richard ist dem Autor verborgen geblieben.
Richard III. ist, wie Karl der Kühne von Burgund, eine tragische Figur der Zeitenwende. Das feudalistische Staatssystem ging über in den monarchischen Absolutismus der Neuzeit, der die Grundlage unseres modernen nationalen Verwaltungsstaates bildet.
Richard III. war, so wird durch Kalckhoff deutlich, ein sehr vernünftiger und keineswegs blutrünstiger König. Sein späteres Bild wurde nur von der Tudor-Propaganda so grausig ausgemalt, weil alle Tudor-Herrscher davon ablenken wollten, daß sie den englischen Thron usurpiert hatten.
Auch für den Tod von Richards Neffen im Londoner Tower gibt es eine einleuchtende Erklärung. Ein Kind starb an Knochentuberkulose, das andere ertrank auf der Flucht in der Themse, weil es glaubte, der ältere Bruder sei vergiftet worden.
Doch dem zukünftigen Leser dieses spannenden Buches soll nichts vorweggenommen werden. Er soll seine Freude an der Schilderung des Hof - und feudalistischen Adelswesens haben, und er wird gewahr, daß die englischen Rosenkriege Auseinandersetzungen kleiner Adelscliquen waren, unter denen die Bevölkerung in Land und Stadt kaum zu leiden hatte. Dem Leser wird aber auch klar, wie raffiniert Propaganda bereits im 16. Jahrhundert gehandhabt wurde.
Kalckhoff ist ein großer Wurf gelungen. Diese Biographie ist keine der modischen Eintagsfliegen, die augenblicklich die Regale der Buchhändler füllen. Von Kalckhoff wird man weitere große Forschungen erwarten können. Wir sind gespannt.                                                                                  FRANZ WAUSCHKUHN


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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Oktober 1980

(Auszug aus einer Doppelrezension)

Andreas Kalckhoff, Historiker und Redakteur, dem wir die erste moderne Biographie (Richards III.) in deutscher Sprache verdanken, schreibt keine “Heldengeschichte”, sondern sieht Aufstieg und Fall Richards gleichsam unter gesamteuropäischem Aspekt.

Er holt weiter aus, analysiert knapp und präzise die Verflechtung der Auseinandersetzungen um den englischen Thron in dem “Hundertjährigen Krieg” zwischen Frankreich und England, Richards Scheitern somit als den vergeblichen Versuch erkennend, die zentrale Position des Königtums wie auf dem Kontinent auch auf der Insel gegenüber den Vasallen durchzusetzen. Für Kalckhoff ist Richards Schicksal demnach eher durch die Ungunst der politischen Konstellation wider ihn als in seinem Charakter begründet. Im Spiel um die Macht reizte er ganz einfach mit den schlechteren Karten. Nur wenige der einflußreichen Lords unterstützten seine Sache, und deshalb mußte der “Thronraub nach allen Regeln der Kunst” scheitern, den Richard nach dem Muster seiner Vorgänger Heinrich IV. und Eduard IV. im Handstreichverfahren wagte.

Kalckhoff sieht auch den Charakter Richards differenzierter als der von ihm hochgeschätzte Kendall, auf dessen umwälzenden Ergebnissen auch er naturgemäß fußt. Richard ist hier kein Ritter ohne Furcht und Tadel; seine Verschlossenheit, sein Stolz und Jähzorn, vor allem aber die Unberechenbarkeit seiner politischen Entscheidungen haben die spätere Legendenbildung jedenfalls erleichtert. Kalckhoff verfügt zwar kaum über die rhetorische Brillanz Kendalls. Er macht aber aus dieser Unterlegenheit eine Tugend, indem er statt dessen einfach die Quellen reden läßt. Und bei ihm kommen auch die von Kendall verfemten “Verleumder” ausführlich zu Wort.
Den Unterschied zwischen beiden Historikern charakterisiert ihre Schilderung der Schlacht von Bosworth (1485). Bei Kendall sind wir Teilnehmer eines aufregenden Kampfgeschehens. Trompeten gehen, Waffen blitzen, Rosse schnauben, Wimpel und Standarten flattern. Richard bemerkt den Heldentod seines engen Vertrauten, des Herzogs von Norfolk, und will noch einmal tollkühn das Blatt wenden. So galoppiert er, das Schicksal seiner Krone auf die Schärfe seiner Streitaxt setzend, an der Spitze seiner Leibgarde direkt auf die Mitte der feindlichen Stellung zu, um seinen Widersacher Heinrich eigenhändig zu erschlagen. Das Geschehen kulminiert in einer heroischen Geste wie bei Shakespeare: “Fünf schlug ich schon an seiner Stelle tot!”
Bei Kalckhoff liest sich die gleiche Szene wie die Endphase einer ausgeklügelten Schachpartie, bei der Richard, auf Verlust stehend, mit einem verwegenen Zug die Auseinandersetzung für sich entscheiden wil. Norfolk fällt hier erst nach dem Tode des Königs. Das Spiel ist aus.
Nicht zu vergessen seien schließlich die von Kalckhoff herangezogenen neuesten Forschungsergebnisse, über die Kendall noch nicht verfügte und die Licht in manches ungelöste Rätsel (wie den Richard fälschlich angelasteten Mord an den zwei kleinen Kindern im Tower) bringen. Hätte Shakespeare nur eines dieser beiden Bücher gekannt - die europäische Bühne wäre um die Gestalt eines ihrer größten Bösewichter ärmer. Vielleicht hätte Sir William statt dessen seinem strahlenden “Heinrich V.” einen weiteren königlichen Helden an die Seite gestellt und einem Augenzeugen des Todesritts von Bosworth die Sätze Hamlets in den Mund gelegt: “Er war ein Mann nehmt alles nur in allem/ Ich werde niemals seinesgleichen sehn.”                                      JÜRGEN EYSSEN

 
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WELT AM SONNTAG, 20. Juli 1980

Shakespeares
König Richard III.,
hier dargestellt von Boy-Gobert,
ist Kindermörder und gilt
als größter Bösewicht der
dramatischen Weltliteratur.
Der historische
Richard III. (1452-85)
war nicht schlimmer als andere
englische Könige des Spätmittelalters.
Er hatte eine "schlechte Presse".
Ehrenrettung für einen Bösewicht
Von CHRISTIAN FERBER

Mein kleiner Ploetz sagt mir, was ich auch von Shakespeare weiß: Daß gegen Ende der Krieges zwischen der weißen Rose (Haus Lancaster) und der roten Rose (Haus York) der buckelige Richard von Gloucester nicht nur als Richard III. 1483 den Thron okkupiert habe, sondern auch hinderliche Königskinder im Tower umbringen ließ.

Shakespeare teilt mir zudem mit, Richard III. habe seine Frau vergiftet und seinen Bruder ertränkt. Ich war mit diesen Kenntnissen immer ganz zufrieden, schließlich ist die Sache lange genug her - und der Mensch braucht ein paar Erz- und Monstre-Schurken, um sein Geschichtsbild angemessen zu bevölkern. Zudem, es waren dies auf englischem Boden zwar politisch raffinierte, aber doch noch reichlich barbarische Zeiten. Denn die Engländer erreichten Zivilisation erst später als die Kernvölker des europäischen Kontinents.

Jetzt teilt mir aber in seinem ausgezeichneten und spannenden Buch "Richard II." (Lübbe, 483 S., 39,80 DM) der deutsche Historiker Andreas Kalckhoff mit, daß dies alles nicht so gewesen sei: Richard III. war weiß der Himmel kein Engel - für welchen Hersscher jener Zeit gilt das schon -, im übrigen aber in mancher Beziehung ganz sympathisch, und nicht der Mörder seiner gesamten Konkurrenz. 1485 verlor Richard nicht nur sein Leben, sondern auch die Schlacht von Bosworth, Und Verlierer haben stets ganz besonders unrecht.

Dem Hause Lancaster folgte das Haus Tudor. Eine erstklassige Propagandamaschine kam in Fahrt. 

Sie machte aus den neuen Herren den Himmel, aus den alten aber die Hölle. Auf die Produkte dieser Maschine scheint dann auch Shakespeare hereingefallen zu sein: Zu seiner Zeit war die Sache erstens schon mehr als hundert Jahre her, zweitens war man mit dem Theater-Unternehmen schließlich vom Wohlwollen der Tudors abhängig. Drittens gelüstete es den Genius nach einem vielschichtigen Schurken erster Klasse - und viertens ist es das Geburtsrecht der Dichter, frei zu walten mit dem Stoff.

Aber eben das erzschurkische Inbild des dritten Richard forderte Zweifel heraus. So schwarz kann keiner sein. Und Kalckhoff ist nicht der erste, der da Zweifel anmeldete. Er ist aber zweifellos der Gründlichste. Sein schwer erarbeitetes, doch elegant und scheinbar leichthändig entworfenes Bild der Zeiten eines Protektors, der sich selbst auf den Thron schwang: das läßt sich mit Vergnügen und Gewinn betrachten, auch einmal ganz abgesehen von der entscheidenden Korrektur am Bilde einer überkommenen und dank Shakespeare weltberühmten Herrschergestalt.

Der historischen Wahrheit muß Ehre erwiesen werden. Ein Stückchen Weltgeschichte ist nun besser bekannt - und der Leser kann mancherlei Grundzüge englischen Charakters nachspüren. Was freilich Richard III. angeht: Seine veränderte Gestalt wird ihm im öffentlichen Bewußtsein schaden. Denn wie gesagt, der Mensch braucht ein paar tote Ungeheuer, und nun hat er eines weniger.


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Historische Zeitschrift 232, 1981

Ricardus Redivivus! Kendalls Biographie “romancée” (1955) ist lange schon das Standard werk über den letzten York. Jetzt legt der Vf. ein realistischeres Lebensbild des Verfemten vor, das die Quellen stärker heranzieht und davon absieht, den “Mohren weiß zu waschen”.

Wer sich mit dem enigmatischen Richard III. befaßt, gerät unschwer in Zweifel, kann er doch selbst der Oberautorität Thomas More, der höchsteigen am Bilde des "königlichen Schurken" wirkte und webte, nicht stets folgen. - "Although he did evill, yet in his tyme were many good actes made" - diese Äußerung über Richard (1525) ist heute "the balanced view": war er auch böse, wird ihm doch Wirkung zugesprochen; in diesem Umfeld ist die auch wegen ihres Ambiente zu lobende Biographie angesiedelt.

Aber war Richard wirklich böse? Dem Knaben und Jüngling widmet K. viel Raum; frühe Ämterverantwortung, der glänzende Königsbruder Eduard IV. und die Rosenkriege trugen sicherlich zur Genese eines Charakters bei, dessen dunkle Seiten K. relativiert: er war "wohl ein Thronräuber" (S. 304), doch Staatsnot diktierte den zeitgemäßen "Sündenfall"; Tyrann wäre er erst nach gewonnener Schlacht geworden (wenngleich er, nach Meinung anderer, nicht ohne Willkür war), und nicht Mord an den Prinzen im Tower, nur deren Verschwinden ist erwiesen; doch wendet kein geringerer als Voltaire ein karges Ils ne parurent plus, c'est à lui d'en répondre an dieses berühmte Rätsel.
So bleiben, bei gelungener Darstellung der Ära, Ungewißheiten: freilich ist Richards Persönlichkeit kaum ganz zu enthüllen. Ist vielleicht die "routinierte Machtpolitik" bei "biblischer Moralität" (S. 404) dieses Lebens großes Geheimnis, und könnte womöglich sein Scheitern nach zweijähriger Herrschaft aus dieser Antinomie erklärt werden? Daß er als einziger englischer König seit der normannischen Eroberung für seine Krone kämpfend fiel (22. 8. 1485), macht seine Gestalt anziehend. Betrieb er populistische Politik (S. 364), so indiziert dies wohl seinen guten Willen, doch war er ohne Fortüne; aber in magnis et voluisse sat est, was auch hier gelten mag. ...........                                                                                                                   Karl Michael Eising, Bottrop



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Bayerischer Rundfunk (BR 1), 29. November 1980

“Buchtip der Woche”
in Funkpost, 9.15 Uhr

Geschichte und Geschichten sind nicht unbedingt das Gleiche. Sieht man allerdings genauer hin, dann beruht Historie doch recht oft auf Histörchen freundlicher oder weniger freundlicher Art.
Diese Wahrscheinlichkeit wird um so größer, je weiter man in der Geschichte zurückgeht - in Zeiten, wo es weder Buchdruck, Zeitungen, noch einigermaßen verläßliche Nachrichtenübermittlung gab. Der Chronist war meist auf “Hörensagen” angewiesen, auf Berichte und Gerüchte, die sicher ebenso persönlich gefärbt waren wie das, was er dann - meist seinem Fürsten opportun niederschrieb.

Wir sind nur viel zu sehr gewohnt (was man in der Schule einpaukt, haftet lange) Geschichte als eine endlose Reihe von unverrückbaren Fakten anzusehen - “regiert: von - bis” und " wann, wo, wen aufs Haupt geschlagen"; es bleibt vielleicht noch, daß der oder jener ein “Gütiger” oder ein “Schlimmer” war. Manchmal macht sich allerdings jemand die Mühe eines Detektivs, um mit Akribie einen solchen “Fall” aus der Geschichte aufzurollen und die Historie auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Was dabei herauskommt, ist mitunter erstaunlich. Andreas Kalckhoff hat sich Richard III. und seine Zeit vorgenommen - Shakespeares buckligen Schurken, der zum Synonym des machtgierigen Usurpators und skrupellosen Mörders schlechthin geworden ist. War er tatsächlich ein Bösewicht oder nur ein Mensch mit Fehlern, aber auch ein paar guten Seiten?
Andreas Kalckhoff ist nicht der erste, der dieser Frage nachgegangen und zu dem gleichen Ergebnis gekommen ist: der historische Richard war, um beim Offensichtlichsten anzufangen, weder verkrüppelt noch bucklig - und auch sonst war einiges wesentlich anders, als bei Shakespeare oder in den Schulbüchern. Nicht weniger überrascht die Tatsache, daß dieser Monarch nur knapp zwei Jahre regierte und, als er 1385 in der Schlacht bei Bosworth fiel, noch nicht einmal 33 Jahre alt war. Andreas Kalckhoff verläßt sich nicht auf den geheiligten Thomas Morus, der als junger Mann und 30 Jahre nach Richards Tod seine schaurige Biographie schrieb, als wäre er selbst mit dabei gewesen.
Kalckhoff zeigt die genauen zeitgeschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge auf und läßt so eine ganze Epoche (nicht nur der englischen Geschichte) lebendig werden - das ausgehende Mittelalter mit seinen Privatzwisten und Machtintrigen der damals Mächtigen. Aus diesem Hintergrund tritt ein Richard, der wenig Ähnlichkeit mit der Shakespearschen Dramengestalt hat. Der Autor zitiert und vergleicht eine Fülle von zeitgenössischen Dokumenten; und es ist tatsächlich erstaunlich, was nach fast 500 Jahren und trotz der rigorosen Vernichtungskampagne von Richards Nachfolgers Heinrich VII., noch an Material vorhanden ist. Viele Texte sind im Original aufgeführt und mit hervorragenden Übersetzungen. Wohl lesen sich manche Passagen recht trocken, doch die Thematik allein ist spannend genug - vor allem für den, der erfahren will, wie Geschichte mitunter entsteht bzw. “gemacht” wird.

Autorin: Barbara Teutsch – Redaktion: Franz Rappmannsberger – Regie: Horst Raspe


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© Andreas Kalckhoff, Version März 2001